Running forever – Die Buchreihe von Dr. Raphael Richter

Dr. Raphael Richter und der MCM sind traditionell eng miteinander verbunden. Seinem ersten Buch „Running forever – Das Geheimnis lebenslangen Laufens“ folgt nun die zweite Ausgabe „Running forever – Wie Frauaen zu lebenslangen Läuferinnen werden“.

Im Interview mit Hans-Jürgen Kasselmann gibt er exklusive Einblicke. Außerdem kann das Buch bei Hans-Jürgen Kasselmann käuflich erworben werden. Viel Spaß beim Lesen :).

Hintergrundinformationen zu deinem Vater und dir – eine Art persönliche Kurzbiographie, die über den klassischen Standard (wie z.B. in den Büchern) hinausgehen; also ganz persönliche Notizen zu den Fragen:

Was ist euer Grundverständnis vom Laufen? Welche Lebensphilosophie liegt dem zugrunde?

Mein Vater Klaus war ein spätberufener Läufer, denn er begann erst 1978 im Alter von 42 Jahren mit dem Laufen. Zu dieser Zeit befand ich mich gerade in der Findungsphase, was denn die richtige Sportart für mich – einen eher unsportlichen Menschen – sein möge. Über Minigolf (im MGC Biebertal) kam ich zum Tennisspielen, das wir dann auch beide im TC Lendringsen pflegten. Aber als Klaus dann endlich die Chance sah, mich hierüber für’s Laufen zu begeistern (“Wenn du besser Tennis spielen möchtest, brauchst du auch Ausdauer, und die bekommst du nur über’s Laufen!”), war es um mich geschehen. Seit 1984 laufe ich seitdem “nur noch”.

Wir traten beide gleichzeitig ein Jahr nach Gründung am Tag der Vereinsmeisterschaft 1984 in den Marathon-Club Menden ein, dem wir – ich noch heute – immer treu bleiben sollten.

Obwohl wir beide in den ersten Jahren noch sehr leistungsorientiert gelaufen sind (unsere ersten sechs Marathons und viele weitere Wettkämpfe liefen wir gemeinsam), waren insbesondere unsere gemeinsamen Trainingsläufe immer dazu da, die Gedanken zu ordnen, sich zu sammeln, tiefgehende Gespräche zu führen. Wo es in anderen Familien hieß: “Sohn, wir müssen reden!”, hieß es bei uns “Sohn, wir müssen laufen!”.

Wie hat das dein Vater gelebt, umgesetzt?

Im Gegensatz zu mir wandte sich Klaus nach und nach vom leistungsorientierten Laufen ab und dem gesundheitsorientierten Laufen zu, was ihn schließlich dazu bewegte, im Jahre 1993 seine Ausbildung zum Lauftherapeuten am erst 1988 gegründeten Deutschen Lauftherapiezentrum (DLZ) in Bad Lippspringe abzuschließen und dort sofort als Dozent einzusteigen. Viele der inzwischen mehr als 500 dort ausgebildeten Lauftherapeut*innen sind durch “seine Schule” gegangen. Er wollte das Laufen nicht nur selber praktizieren, sondern auch die besondere Wirkung des Laufens auf die körperliche und seelische Gesundheit durch Laufkurse und durch seine Lehrtätigkeit weitergeben. Sein Leitspruch war immer: “Wer läuft, lebt nicht länger, aber er stirbt gesünder!”, was durch seinen plötzlichen Tod im Jahre 2018 zur traurigen Wahrheit wurde.

Wie siehst du dich in seinen Schuhen? Was machst du eigentlich sportlich in der Tradition deines Vaters? 

Klaus zeichnete es aus, dass er mir – natürlich in vielerlei Hinsicht, aber hier auf das Laufen bezogen – ein Vorbild war, ohne missionarisch zu sein. Vermutlich hat er sich gedacht: “Lass den Jungen mal Minigolf und Tennis spielen, irgendwann kommt er doch zum Laufen!”. Und so war es. Immer ließ er mich meine eigenen Erfahrungen machen (und seine Ratschläge als Coach in meiner Jugendzeit in den Wind schlagen), fieberte bei Wettkämpfen am Straßenrand oder noch viel lieber etwas später selbst als Läufer ins Ziel kommend mit mir mit. Unsere Vater-Sohn-Beziehung erreichte durch das Laufen eine ganz andere Dimension. Das Ganze gipfelte darin, dass ich (erst) im Jahre 2013 “Geschmack” an der Lauftherapie bekam, durch einen Laufgruppenleiter-Kurs am DLZ, den ich absolvierte, um Betriebslaufgruppen und Kinderlaufgruppen zu leiten. Plötzlich war ich ihm auch hier nachgefolgt, ohne dass er es bewusst forciert hatte. Seit 2013 bin ich nun Dozent am DLZ, habe mehrere Beiträge in den Büchern meines Vaters verfasst und sogar Fachbücher zu dem Thema mit ihm zusammen herausgegeben. Wir waren plötzlich nicht mehr nur Vater und Sohn, sondern Arbeitskollegen in gemeinsamer Sache und hielten sogar Seminare zusammen.

Was verbindet dich eigentlich mit dem MCM?

1983 packte mich die Laufleidenschaft, und 1984 hielt es mein Vater für eine tolle Idee, in den damals erst seit einem Jahr bestehenden Marathon-Club Menden einzutreten und direkt an der Vereinsmeisterschaft in der Waldemei teilzunehmen. Ich wurde aus dem Stand Vereinsmeister in der männlichen Jugend B und lief Ende September 1984 mit 15 Jahren meinen ersten Marathon in Brüssel. Was gibt’s da noch zu erklären?

Die Erklärung dafür ist, dass ich in meinem Laufleben neben Klaus noch zwei weitere Laufväter hatte: Josef und Horst Kaderhandt. Sie haben den MCM nie nur als Verein gesehen, sondern als Familie, und das spüre ich im MCM bis heute. Daher habe ich auch nach dem Verlegen meines Lebensmittelpunkts nach Münster nie in Betracht gezogen, dort für einen anderen Verein zu starten. Es gehört schon viel Urvertrauen in meinen Ziehvater Horst dazu, sich keine Sorgen zu machen, wenn ich auch einmal von der “Röhrenrunde” (eigentlich 15km) erst nach 2 Stunden zurückkam, weil Horst spontan eine “kleine Schleife” einbaute. Was den MCM bis heute auszeichnet, ist, dass ein 6. Platz in M65 die selbe Wertschätzung erhält, wie der Gewinn der Keismeisterschaft beim Mendener Marathon, keiner in der “Familie” erhält irgendwelche Vorzüge, nur weil er “bessere Leistungen” bringt. Und das macht neben vielen anderen Dingen den Wohlfühlfaktor aus und erfüllt mich weiter mit Stolz, wenn ich das MCM-Trikot trage.

Dann gibt es sicher den Bedarf nach Hintergrundinformationen zu beiden Büchern „Running forever“. 

Wie sind die Bücher entstanden?

Das erste Buch ist aus der Freundschaft zwischen meinem Vater Klaus und seinem langjährigen Weggefährten Wolfgang Schüler (wie Klaus auch Lauftherapeut und DLZ-Dozent) entstanden. Das große Interesse an der Motivation anderer Läufer, die wie die beiden mehr als die Hälfte ihres Lebens laufen, brachte sie auf die Idee, solche Laufbiografien zu sammeln und ein Buch darüber herauszugeben. Dabei sollte ein besonderer Wert darauf gelegt werden, dass es nicht nur leistungsorientierte Berichte und Aneinanderreihungen von Erfolgen werden, sondern echte Erfahrungen aus dem Leben. Vertreten sind hier Beiträge prominenter und weniger prominenter “Lebensläufer” sowie Buchautoren und von Menschen aus dem Freundeskreis von Klaus Richter und Wolfgang Schüler, sowie Kollegen aus der Lauftherapie. Die Idee für ein zweites Buch nur mit Laufbiografien von Frauen entstand kurz nach Veröffentlichung des ersten Buches im Jahre 2017. Nach dem Tod meines Vaters im Jahre 2018 erfuhr ich von Wolfgang Schüler Anfang 2019, dass es schon Pläne und Listen von potenziellen Autorinnen gäbe, und ich wurde gefragt, ob ich nicht Lust hätte, als Nachfolge für meinen Vater, mit ihm den zweiten Band herauszugeben. Wir nahmen uns dann noch unsere beiden Frauen als herausgeberische Verstärkung hinzu, nahmen uns aber viel Zeit, um neben unser täglichen Arbeit die Recherchetägigkeit noch gestemmt zu bekommen. Unser Verleger Christian Becker vom Arete Verlag ließ sich auf den Zeitplan “Veröffentlichung im Frühjahr 2021” ein, und wir legten los.

Gibt es spezifische Unterschiede in der Zielsetzung der Bücher? 

In der Zielsetzung der Bücher gibt es keine spezifischen Unterschiede. Beide sollen Laufbiografien von sogenannten “Lebensläufer*innen” dokumentieren und zwar anhand von selbst verfassten Beiträgen. Als Rahmen haben wir jeweils die folgende Gliederung vorgegeben

(1) „Aller Anfang ist…“ (Beginn und Auswirkungen meines Laufens)

Anlass, Anreiz, Antrieb. Leichte oder schwere Geburt? Erlebnisse und Erfahrungen. Was mich zum Dranbleiben motiviert hat.

(2) „Der Appetit kommt beim …“ (Gesetzte Prioritäten und genommene Entwicklungen)

Wie sich mein Laufen über die Jahre / Jahrzehnte entwickelt hat: Orientierungen und Motive, Trainingsvarianten, Läufe. Alltag und Highlights. Kontinuitäten, Übergänge, Veränderungen.

(3) „Hals- und Beinbruch!“ (Überwindung von Schwierigkeiten)

Rückschläge? Gewissheiten und Ungereimtheiten, Achtsamkeiten, Augenmerke und Vorsichten. Durststrecken, Erkrankungen, Verletzungen, Laufpausen.

(4) „… verleiht Flügel!“ (Sinn meines Laufens und Lebens-Laufs)

Bedeutungszusammenhang Laufen und Leben: welchen Sinn gibt Laufen meinem Leben? Laufen als Lebensweg, Lebensprinzip? Durchdringungen, Bereicherungen, Widersprüche 

(5) „Was ich noch zu sagen hätte“ (Aussichten)

Erwartungen, zukünftige Wünsche, feste Vorhaben. Wann (unter welchen Umständen) würde das Laufen aufgegeben?

Beim zweiten Buch kam aufgrund des Fokus auf laufende Frauen noch der folgende Gliederungspunkt dazu:

(6) „Unbeschreiblich weiblich!“ (Laufen als Teil meines Frau-Seins)

Emanzipation. Körpererleben, Selbsterleben, …

Die Autor*innen haben sich mehr oder weniger an diese Gliederung gehalten, und es kamen in ihrer Verschiedenheit wunderbare Beiträge zusammen. Beim ersten Buch wurde noch “vorausgesetzt”, dass man mehr als 25 Jahre läuft, im zweiten Buch haben wir von dieser Voraussetzung Abstand genommen, da diese nicht ausschlaggebend für ein Läuferleben ist, so wie wir es verstehen.

Was macht jetzt das Besondere des neuen Buches aus?

Das Besondere des neuen Buches ist zuallererst, dass nur Frauen zu Wort kommen. Im ersten Buch standen 19 Beiträge von Läufern 6 Beiträge von Läuferinnen gegenüber. Das war erschreckend wenig, denn die Liste der potenziellen Läuferinnen war noch lang. So war der Entschluss gefasst, “Running Forever 2” als reines Läuferinnen-Buch herauszugeben. An den Vorgaben und an der Zielsetzung hat sich bis auf die “weibliche Komponente” aber nichts geändert.

Wie habt ihr es hinbekommen, dass so prominente Vertreterinnen sich mit „kleinen 

Appetithappen zur Lust am lebenslangen Laufen“ beteiligt haben?

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Natürlich gab es einige Frauen auf unserer Liste, die es aus zeitlichen Gründen nicht geschafft hatten, Beiträge zum ersten Buch beizusteuern, und die wir nun noch einmal angesprochen haben. Diese hatten entweder schon etwas in der Schublade oder sie ergriffen nun die Gelegenheit, am zweiten Buch teilzuhaben. Zu prominenten Laufgrößen (z.B. Sylvia Schenk, Christa Vahlensieck oder Kathrin Dörre-Heinig) musste man nicht viel recherchieren. Zu diesen bestand entweder schon Kontakt oder sie wurden einfach angeschrieben. Bei anderen prominenten Vertreterinnen wussten wir durch Medienberichte, dass das Laufen in ihrem Leben eine wichtige Rolle spielt. Dazu gehörten z.B. Hera Lind, Dr. Martina Münch, die frühere Landesministerin von Brandenburg, Anke Engelke, Julia Klöckner und die Schauspielerinnen Christine Neubauer und Bettina Lamprecht (die Darstellerin der “Bruck” aus der Serie “Pastewka” und der “Jeannette” aus den “Känguru-Chroniken”. Diese haben wir einfach unverblümt angeschrieben und die Bereitschaft angefragt, sich an unserem Buchprojekt zu beteiligen. Einige antworteten gar nicht, andere waren zu sehr mit anderen Projekten beschäftigt. Aber u.a. Hera Lind und Martina Münch sprangen auf unsere Buchidee sofort an.

Gibt es eigentlich erzählbare Anekdoten in der Entstehung der Bücher?

Die interessanteste Begegnung (coronabedingt kommunikativ natürlich nur per E-Mail) hatte ich sicher mit der aktuell in Salzburg wohnenden gebürtigen Bielefelderin Hera Lind, der “Grand Dame der Unterhaltungsliteratur”, deren Debüt-Roman “Ein Mann für jede Tonart” ich seit 1989 im Regal stehen habe (allerdings auch das einzige Buch von ihr in meinem Besitz). Wir wussten aus vielen Medienberichten und Interviews, dass das Laufen einen sehr großen und wichtigen Teil ihres Lebens ausmacht. So lag es nahe, sie als Autorin in Betracht zu ziehen und sie anzuschreiben. Ihre Antwort kam innerhalb weniger Stunden aus Bangkok, wo sie sich zu dem Zeitpunkt gerade aufhielt, mit großer Begeisterung für unsere Buchidee und der Zusage, einen Beitrag zu unserem Buch beizusteuern. Sie würde uns bei dem üblichen Zeilenhonorar, das sie als Bestsellerautorin üblicherweise in Rechnung stelle, auch entgegenkommen. Hierzu muss man wissen, dass keine unserer Autorinnen ein Honorar bekommen, da wir unser Buchprojekt (auch schon das erste) als Herzenssache ansehen und auch wir als Herausgeber keine Profitgier an den Tag legen. Nachdem ich ihr schweren Herzens zu verstehen gegeben habe, dass wir hier aus Gründen der Gerechtigkeit gegenüber den anderen Autorinnen und aus Idealismus hier kein Honorar zahlen können, war ich schon auf eine Absage gefasst. Da ich aber in meiner Antwort so an die “Herzenssache Laufen” appelliert habe, sagte sie auch ohne Honorar zu und schrieb nur 4 Wochen später auf einer Zugfahrt von Salzburg nach Basel ihren Beitrag auf ihrem iPad.

Eine weitere interessante Begegnung war mit Dr. Michelle Haintz, einer Medizinerin, die aktuell in der Persönlichkeitsbildung tätig ist. Sie hatte mit ihren über 70 Jahren noch so viele Projekte am Laufen, dass sie sich zeitlich nicht in der Lage sah, einen Beitrag zu verfassen, uns aber die Erlaubnis gab, Textpassagen aus ihrem Buch “Wach-Laufen” passend zu einem Beitrag zusammenzustellen, den sie dann kurz vor Fertigstellung des Buches freigab.