Marathon 100 – MCM Urgestein Tobias Schulte läuft am Wochenende in den erlesenen Club

Ein bewegender Bericht von unserem Vereinsmitglied Tobias Schulte. Er blickt auf 25 Jahre Marathon-Laufen, ein Leben für den Sport trotz Diabetes Typ 1 zurück. Er nimmt uns mit auf eine Reise die am kommenden Wochenende dort enden soll, wo diese 1998 begann. Er wird damit dem Vereinsgründer Josef Kaderhandt nachfolgen und mit dem „Marathon 100“ ebenfalls in einen ganz erlesenen Läuferkreis einziehen.

Tobias Schulte beim Menden Marathon 2008

Bericht von Tobias Schulte

„Wenn ich jetzt in mein Marathonalbum sehe und auf die vielen Erlebnisse zurückblicke und mir bewusst werde, dass es bereits der 100. Marathon und gleichzeitig auch mein letzter Marathon sein wird, werde ich schon etwas nachdenklich. Es fühlt sich an wie eine lange Reise, die am 05.04.1998 (damals war ich 17 Jahre alt und mein Vater hat mich nach Hannover gefahren) begann und 25 Jahre später am 26.03.2023 am gleichen Ort enden wird. Mit der Startnummer 1998 werde ich zusammen mit meinem Bruder den Marathon laufen. Netterweise hat der Veranstalter uns eingeladen. Rückblickend war die „Marathon-Reise“ ein großes Erlebnis, sehr ereignisreich, lehrreich und abenteuerlich. Wenn der letzte Lauf auch noch gelingt, schätze ich mich glücklich, dass ich jeden Marathon finishen konnte und auf 25 verletzungsfreie (bis auf eine Handvoll Muskelfaserrisse)  Jahre Langstreckenlauf zurückblicken kann. 36 Marathons bin ich dann in Deutschland und 64 im Ausland gelaufen. 33 verschiedene Länder sind es am Ende geworden.

Eine der meist gestellten aber auch schwierigsten Fragen ist natürlich die nach dem „besten“ oder dem „schönsten“ Marathon. Die Eindrücke, die Erlebnisse, die unterschiedlichen Orte und auch die Rennverläufe waren allerdings zu unterschiedlich. Jedes Finish war auf seine eigene Weise unvergesslich, so dass ich die Frage bis heute nicht eindeutig beantworten kann.  Ich bin dankbar, dass ich 2011 in Hongkong mit meiner Frau Anja zumindest einen Marathon gemeinsam laufen konnte. Die Marathons über die Golden-Gate Bridge in San Francisco, auf Hawaii (Maui), Dubai, Vancouver und natürlich auch 2003 in New York werde ich immer in Erinnerung behalten. Besonders schön waren auch immer die Reisen mit meinen Eltern. Meine Mama war unter anderem in Wien, Prag, Singapur, Washington und Liverpool dabei. Mein Papa hat mich 2005 zum Marathon nach Athen begleitet. Der Start im Ort „Marathon“ war natürlich ein besonderer Augenblick, an den ich mich gerne erinnere. Mir ging es nicht ausschließlich um schnelle Zeiten. Bei vielen Läufen bin ich sogar ohne Uhr gestartet. Das Erlebnis, die Umgebung, die Sehenswürdigkeiten der Städte standen im Vordergrund.

In der Vorbereitung auf den Ironman 2006 habe ich jedoch einige Monate richtig hart trainiert. So kam dann auch meine Bestzeit 2005 in Frankfurt mit 2h 58m zustande. Zumindest ein Marathon unter der magischen 3-Stunden Grenze, auf den ich auch etwas stolz bin. Es sind aber nicht nur die großen namhaften Marathonläufe, auf die ich gerne zurückblicke. In der Aufzählung dürfen die Marathons in Menden auch nicht fehlen. Es war immer motivierend und sehr schön, bekannte Gesichter am Straßenrand zu sehen und sich mit vielen MCM´lern meist bei 30 Grad durch die Schwitter Felder zu quälen. Mein Opa, er lebt leider nicht mehr, stand 3 Stunden lang bei brütender Hitze immer an der gleichen Stelle um mich über die Abstände zu anderen Läufern zu informieren. Und die besten Verpflegungsposten mit den liebevollsten Helfern gab es eindeutig immer hier in Menden. Daher bin ich hier auch vier Mal gelaufen.

Kurioses gab es natürlich auch. Unvergessen wie wir Läufer 2003 auf Malta über einen Marktplatz laufen mussten, wo gerade der Wochenmarkt aufgebaut wurde. Die ersten Stände waren aufgebaut und sie sahen exakt aus wie Verpflegungsstände. Wir haben uns natürlich ordentlich bedient und wurden dann des Diebstahls beschuldigt und zunächst gestoppt. Nach ein paar Minuten Diskussion durften wir dann weiter. In Brunei, einem Kleinstaat auf Borneo im südchinesischen Meer, startete ich 2005 mit zwei Arbeitskollegen. Wir waren die einzigen 3 Europäer (deutlich zu sehen an unserer Hautfarbe) und der Veranstalter dachte wir wären Vollprofis. Beim Start wurden wir aufgefordert, uns in die erste Reihe zu stellen. Da standen wir dann umgeben von den wirklichen Profis aus den afrikanischen Ländern. Wir waren umgeben von Kamerateams. Nach und nach verabschiedeten diese sich dann von uns, als sie merkten, sie sind doch besser beraten, sich bei ihrer Übertragung an die Afrikaner zu halten, die nach 2km schon außer Sichtweite waren. Der Ausblick 2005 beim Lauf über die Chinesische Mauer war so schön, dass ich mit einigen Läufern beschloss, eine lange Pause auf der Mauer einzulegen. Die Laufzeit war uns vollkommen egal. Wir saßen knapp 30min auf der Mauer, blickten in die Ferne und genossen das Panorama. Der Venedig Marathon 2013 wäre fast zu einem Fiasko geworden. Wir hatten eine Kreuzfahrt gebucht, die unmittelbar nach dem Marathon losgehen sollte. Ich hatte 5 Stunden Zeit für den Lauf und den Transfer vom Markusplatz zum Hafen. Das sollte locker reichen, da ich fit genug war für einen Lauf unter 3h30m. Der Start verzögerte sich jedoch um knapp 30 Minuten, bei KM 15 bekam ich plötzlich Nasenbluten und musste den Lauf unterbrechen, bei KM30 hatte ich einen Hungerast und war platt. Der zeitliche Puffer war schnell aufgebraucht. Nach der Zielankunft durfte ich dann direkt weiterlaufen und erwischte mit Anja zusammen das Schiff in der allerletzten Minute.  In Istanbul 2007 waren wir mit unserer MCM Laufgruppe leider 15 Minuten zu spät am Start. Der Bus hatte uns fälschlicherweise zum Start des 10km Laufs gefahren. Von dort sind wir dann zunächst einige Kilometer zum Marathonstart gelaufen um dann das Feld von hinten aufzurollen. Das war dann mit ca. 46km mein längster Marathon.

Meine Typ 1 Diagnose hat mich nicht aus der Bahn geworfen. Das war 2016. Mit 17 Marathonläufen nach meiner Diagnose konnte ich hoffentlich auch dem ein oder anderen Typ 1er etwas Mut machen und mitgeben, dass die Diagnose nicht bedeuten muss, ein geliebtes Hobby aufgeben zu müssen. Vor allem Kindern und Jugendlichen gebe ich dies bei Vorträgen gerne mit auf den Weg. Oft wird behauptet „wir“ wären nicht voll leistungsfähig. Doch das sind wir! Liebe Typ 1er – lasst Euch nicht entmutigen! Egal ob Breitensport im Verein, Marathon, Ultralangstreckenlauf oder auch ein Ironman, natürlich kann man das auch als Typ 1 Diabetiker!

1998 in den Marathon-Club Menden einzutreten war sicherlich eine meiner besten Entscheidungen. Nicht nur aus privaten Gründen. Im Marathon-Club habe ich erstmals Laufen in der Gemeinschaft erfahren dürfen und wichtige Trainingsgrundlagen gelernt. Das war sicherlich die Basis für 25 tolle Laufjahre und quasi die Grundlage für meine wunderbare „Marathon-Reise“. Das Laufen hat mich seit 1998 immer begleitet und wird mich auch zukünftig immer begleiten. Ob zur Schulzeit oder im Studium oder auch später im Job, das Laufen hat immer für ausreichende Balance zum oft stressigen Alltag gesorgt und hält physisch und psychisch fit.  Zwar werde ich keine 42km mehr laufen aber auf Mitteldistanzen freue ich mich natürlich auch weiterhin. Dafür auch auf diesem Weg „DANKE MCM“!

Reinhold Messner hat mal gesagt, dass „jeder Neuanfang mit Unsicherheit und Zögern verbunden sein kann. Auch das Aufhören will geübt sein. Das Hängenbleiben an alten Ritualen und das Festhalten an Erfolgen (für mich war jeder Marathon ein großer Erfolg) sind immer auch Zeichen schwindender Fähigkeiten und der Stagnation.“ Insofern ist der 100. Lauf ein toller Schlusspunkt.“